Es ist Februar 2020. Ich sitze am Fenster und schaue hinaus und sehe Schnee, Sonnenschein und ab und zu ein paar „flurries“, kleine Schneeflocken, die über der Schneedecke tanzen.

Ich bin tief in der Natur, mitten im Wald, aber nur eine gute Viertelstunde von der „Zivilisation“ der kleinen Stadt Port Hawkesbury auf Cape Breton Island, in der Provinz Nova Scotia in Kanada, entfernt.

Wie kommt ein pensionierter deutscher Lehrer dort hin? Das ist keine lange, aber spannende Geschichte.
Ich bin mein Leben lang dem Wassersport verbunden gewesen. Als Jugendlicher habe ich gerudert und in späteren Jahren hat meine Frau und mich das Windsurfen begeistert. Viele Jahre waren wir in Holland, Frankreich und Spanien am Mittelmeer und an anderen kleinen Spots unterwegs. Als zwei Töchter dazukamen, lernten sie schnell, dass Urlaub, Leben am Wasser und in sonnigen Gefilden eine paradiesische
Mischung sein kann.

Aber die Sommer am europäischen Atlantik oder Mittelmeer wurden immer mehr touristisch vermarktet und das freie Leben fiel dem Massentourismus weitgehend zum Opfer. Dazu kam, dass wir nahezu an jedem Spot irgendwann am Ufer saßen und den Wunsch spürten, einmal am Wasser wohnen zu können.

Das ist in Europa nahezu unerschwinglich, aber als uns zufälligerweise unser Neffe, der nach Kanada ausgewandert war und dort ein Unternehmen zur Landerschließung gegründet hatte, mit einem Stapel voller Bilder besuchte, kam dann eins zum anderen. Wir lernten Cape Breton Island und die Provinz Nova Scotia kennen, hängten unser Herz an einen Ahornbaum und bauten uns einen Brückenkopf auf einem anderen Kontinent auf. Glücklicherweise kann man Halifax, die Hauptstadt der Provinz Nova Scotia, im Direktflug von Frankfurt aus, innerhalb von nur ca. gut 6 Stunden (von Mai bis Oktober) erreichen.

Ein kleines Haus am Ufer eines schönen Waldsees wurde schnell geplant und gebaut und seitdem reiste entweder die ganze Familie, oder einzelne Teile, seit mittlerweile zwanzig Jahren regelmäßig im Sommer und Herbst, aber auch oft im Winter in das Paradies, das wir uns erschaffen durften. Ein anderes Wort fällt mir einfach nicht ein, um unser kanadisches Zuhause zu beschreiben.

Wir wurden älter und genießen jetzt das Leben als Pensionäre. Die Töchter sind erwachsen und kommen auch immer wieder mit ihren Familien nach Cape Breton und meine Frau und ich verleben mittlerweile jedes Jahr viele Monate auf unserem Anwesen an der Atlantikküste Kanadas im Süden von Cape Breton.

„Winter in Kanada, so weiß war das Land“

Unsere Reiselust veranlasste uns, unser Haus in Deutschland zu verkaufen und in eine Wohnung zu ziehen und so ergab es sich, dass wir auch einmal einen ganzen Winter in Kanada verbrachten.

„Winter in Kanada, so weiß war das Land“ hat Elisa Gabbai vor vielen Jahren einmal gesungen, aber genau so beschreibt es das Leben auf Cape Breton. Obwohl das Klima atlantisch ist, vom warmen, aus der Karibik kommenden Golfstrom geprägt und die Winter deshalb nicht so kalt sind, wie in Kontinental–Kanada, hat man glücklicherweise im Winter doch eine dreimonatige Phase, in der die Seen gefrieren und für eine gewisse Zeit eine geschlossene Schneedecke das Land ziert. Wir erleben hier noch einen echten Winter, wie wir diesen aus unserer Kindheit in Deutschland kennen.

Dieser Winter bietet – ebenso wie alle anderen Jahreszeiten – interessante Möglichkeiten auf Cape Breton. Die Adler, Hirsche und Elche und viele andere Tiere sind zu beobachten, eine Fülle von Freizeitaktivitäten wie Schneeschuhlaufen, Eisfischen, Motorschlittenfahrten durch unberührte Natur, oder auch Abfahrtsski und Skilanglauf sind möglich und lassen im Winter keine Langeweile aufkommen. Dazu kommen die vielen Kontakte mit unseren kanadischen und deutschen Freunden, die sich entweder an den Aktivitäten und unserem Leben beteiligen, oder mit wechselseitigen Besuchen und reichlich leckeren Speisen und Getränken das Leben verschönern. Die Straßen sind nach einem Schneefall schnell wieder gut geräumt und das Leben in der Winterlandschaft bietet der Seele viele „Baumelmöglichkeiten“!

Ein Winterhöhepunkt kam auf, als unser Neffe plante, auf dem See an dem wir wohnen, mit Freunden ein Iglu zu bauen. Das atlantische Klima, der Breitengrad von Südfrankreich und die in der Regel moderate Schneemenge ließ mir das zunächst unmöglich erscheinen, aber da die Eisdecke dick genug war, wurde geplant, Eisblöcke aus dem See zu schneiden und damit „Baumaterial“ zu schaffen. Der Klang der Motorsägen und der blaue Himmel über dem weißen See haben uns auch oft veranlasst auf den See zu gehen und den Ausgang dieser ungewöhnlichen Idee zu verfolgen. Die Fotos zeigen, dass das Projekt erfolgreich verlief und wunderschöne Bilder und Aktivitäten auf dem Eis zur Folge hatte.

Leider hielt das Iglu nur zwei Tage, da die Sonneneinstrahlung auch im Winter auf diesem Breitengrad eine starke, schmelzende Kraft entwickelt.

Wir denken – gerade beim Betrachten der Bilder – gerne an dieses Projekt zurück, das viele Freunde bei guter Stimmung nach draußen gelockt hat und unvergessliche Momente möglich machte.

Nova Scotia Meisterstück

Die weiße Landschaft draußen ist im Sonnenschein ein Fest für die Augen und weckt aus den Erinnerungen und den weiteren Plänen die Vorfreude auf viele Erlebnisse in allen Jahreszeiten auf Cape Breton Island, die die Kanadier „Nova Scotias Masterpiece“ das Meisterstück der Provinz nennen.

Cape Breton ist in der Vergangenheit mehrmals als schönste Insel Nordamerikas und eine der schönsten Inseln der Welt ausgezeichnet worden. Auch hierdurch hat Cape Breton heute einen recht hohen Bekanntheitsgrad in der ganzen Welt und es gibt zunehmend auch Reportagen in deutscher Sprache.